Ukraine-Nachmittag in Dresden – Lesung und Film

Am Sonntag dem 9.11. findet um 16:00 in der Kinofabrik Dresden eine Lesung und Filmvorführung zur Ukraine statt.

Lesung mit Yevgenia Belorusets

Die Autorin und Fotokünstlerin Yevgenia Belorusets (Kiew/Berlin) dokumen­tiert in ihren Texten und Fotos die Desorientierung und Verwirrung der Men­schen in der Ukraine angesichts der Kriegshandlungen im Osten und der politischen Ausweglosigkeit. Sie setzt sich mit der gespaltenen Wirklichkeit des Landes auseinander, in dem es heute zwei Kategorien von Menschen gibt: die vom Krieg unmittelbar Betroffenen und die Zuschauer. In ihren Tex­ten beschreibt sie, wie sich das Geschehen im Land und insbesondere der Krieg der unmittelbaren Beobachtung entzieht, wie die Nachrichten für die Menschen gleichzeitig zur Sucht und zum Mittel der Manipulation werden.

Yevgenia Belorusets stammt aus Kiew, wo sie seit Anfang der 2000er Jahre aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen auf der Spur ist und sie in Tex­ten und Fotos künstlerisch aufnimmt. So hat sie als eine der ersten in der Fotoserie „Mein Zimmer“ das Leben schwuler und lesbischer Paare in der Ukraine dokumentiert. Seit mehreren Jahren widmet sie sich in ihren Arbei­ten der Arbeitsmigration von Frauen und den Folgen für das familiäre und gemeinschaftliche Zusammenleben in westukrainischen Dörfern. Sie ist Mitbegründerin der Literaturzeitschrift „Prostory“, die mit ihren Themenheften u.a. zu Armut, Gewalt und Leben auf der Straße brisante gesellschaftliche Probleme aufgreift. In Deutschland ist sie in diesem Jahr vor allem durch ihre Fotoausstellung „Majdan. Besetzte Räume“ bekannt geworden, die Menschen in ihrem Protest auf dem Majdan im Winter 2013/14 porträtiert.

Moderation: Claudia Dathe

Film: The Other Chelsea – Eine Geschichte aus Donezk

Deutschland/Ukraine 2010, 87 min, dt. Fassung, Regie: Jakob Preuss
Der Titel mutet nicht gerade osteuropäisch an, aber die englische Berg­
arbeiterstadt und ihr Fußballklub haben ein Pendant in Osteuropa. Dies ist
die derzeit heiß umkämpfte ukrainische Millionenstadt Donezk und deren
Fußballklub „Schachtjor“, 2009 immerhin Gewinner des UEFA-Cups. Eigent­
lich wollte Jakob Preuss einen Film über die „Orangene Revolution“ in Kiew
drehen, aber dies schien ihm etwas zu langweilig zu werden und er reiste
weiter gen Osten, um dieselben traurigen Verhältnisse, aber aus blauer Sicht
zu erfahren. So erleben wir, dass die Oligarchen und ihre Vasallen in Kiew
oder Donezk nicht anders sind, als die Ackermänner, Thatchers und Merkels
im Westen, dass immer wieder der kleine Mann den Mist ausbaden muss
und dass Fußball die schönste Methode ist, davon abzulenken. Soviel zu hin­
länglich bekannten Wahrheiten, aber angesichts der derzeitigen aktuellen
politischen Situation kann man den schon fünf Jahre alten Film von Jakob
Preuss nur als prophetisch bezeichnen.

Eine Veranstaltung der kinofabrik Dresden in Kooperation mit tierra nuestra e.V.

Ort: kino in der Fabrik in Dresden, Tharandter Str. 33 in 01159 Dresden-Löbtau

Eintritt für beides: 10/8 €

Kartenvorbestellungen: Telefon: 0351 – 42 44 860

http://www.kif-dresden.de

Buchpräsentation: Euromajdan – Momentaufnahmen aus der Ukraine

Datum: Mittwoch, 12. März 2014 – 19:00 – 21:00
Adresse: Schumannstr. 8,10117 Berlin

Die Ukraine ist das einzige Land Europas, in der die Annäherung an die EU mit Blut bezahlt wird, sagen Beobachter der Proteste auf dem Majdan in Kiew. Der Schriftsteller Juri Andruchowytsch meint lapidar: „Wenn wir uns für Europa einsetzen, geht es dabei auch um unsere Souveränität. Um die Menschenrechte und um die Freiheit. Das sind nicht nur schöne Worte, das ist die nackte Wahrheit…“  Sätze, wie wir sie von den Dissidenten in Warschau, in Budapest, in Prag kennen – Sätze aus den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Aus der Sicht der Protestierenden auf dem Majdan wird in der Ukraine ein Kampf ausgetragen zwischen der Gesellschaft und Machthabern, die das Land als ihren privaten Besitz betrachten – es geht gegen ein Regime, das Rechtsstaat und Institutionen allein für den eigenen Machterhalt instrumentalisiert, den Menschen ihre Würde nimmt und sich skrupellos bereichert.

Augenzeugen, Schriftsteller/innen, Dichter/innen und Intellektuelle aus der Ukraine haben ihre Texte zusammengetragen zu einer „Geschichtsschreibung des Augenblicks“ – ein in kurzer Zeit zusammengestelltes Buch, das persönliche Erlebnisse schildert, die Lebensverhältnisse im Land beschreibt und einen Blick auf die Geschichte wirft. In der Diskussion mit drei der Autor/innen des Bandes mit dem Titel „Majdan! Ukraine, Europa“ werden wir aber auch den Blick in die Zukunft werfen: Wie geht es weiter, wenn die Proteste vorüber sind?

„Majdan! Ukraine, Europa.“
Herausgegeben von Claudia Dathe und Andreas Rostek
Übersetzt durch translit e.V.  u. a., edition.fotoTAPETA
ISBN 978-3-940524-28-7
160 Seiten | Paperback | 22 x 13 cm
9,90 EUR
Mit:

  • Andrij Ljubka, Schriftsteller, Ukraine
  • Yevgenia Belorusets, Fotokünstlerin, Ukraine
  • Andrij Portnov, Historiker, Ukraine
  • Kyryl Savin, Heinrich-Böll-Stiftung, Kiew

Moderation: Walter Kaufmann, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin

Eine Kooperation der Heinrich-Böll-Stiftung mit Translit e.V. und edition.fotoTAPETA

Information
Robert Sperfeld
E-Mail sperfeld@boell.de
Telefon +49(0)285 34 -387

Arsen Avakov: Ihr seid doch Menschen!

Zu den aktuellen Ereignissen in Kiew

18. Februar 2014, 19:56
45 Personen mit schweren Verletzungen und Verwundungen haben Slava Kirilenko und andere Abgeordnete nach dem Sturm der Berkut-Einsatztruppen allein aus dem Mariinski-Park in die Krankenhäuser gebracht.

Die Berkut-Truppen und andere Einheiten des Innenministeriums haben die Menschen geschlagen, warfen sie zu Boden und riefen andere Schläger in Zivil hinter sich auf, die Liegenden weiter zu schlagen.

Ich halte nichts von Eskalation in einer von Wut stark elektrisierten Situation, aber unter den Umständen, wenn man von den Staatsvertretern nur Lüge hört, bin ich gezwungen, diese Fakten anzuführen…

Weitere 16 Personen habe ich gemeinsam mit Sergej Feiermark aus der Lipska-Straße weggebracht. Dort hat man dank Lida Koteljak sechs Verwundete aus einem Polizeiwagen befreit und sie ins Krankenhaus gebracht…

An der Kreuzung der Institutska-Straße und der Schelkowitschna-Straße haben Ärzte und Helfer des Maidans die Verletzungen behandelt und die Verwundeten zu den Rettungswagen gebracht…

Bestialische Instinkte auf den Straßen der Hauptstadt… Ist das alles wirklich die Grausamkeiten wert, ihr machthabenden Bonzen? Wo sind Sie, Herr Janukowitsch, den seit einigen Stunden weder die Botschafter noch Frau Merkel telefonisch erreichen können…

Welches Gemetzel das Regime heute auch auf den Kyiwer Straßen anstiftet, es wird nichts lösen. Der Konflikt wird nur mit zusätzlichem Hass befeuert…

Der Maidan wird gestürmt. Nach den Angaben des medizinischen Dienstes des Maidans gibt es bereits  5-7 Tote. Mehr als 160 Personen sind verletzt in die Krankenhäuser gebracht worden. Auf Maidan sieht man viele Menschen mit blutigen Binden. Der Preis ist entsetzlich und hat keine Rechtfertigung…

Das Land durchlebt seine schwersten Zeiten. Liebe Menschen haltet durch, bleibt Menschen, es ist unmöglich Millionen zu erschießen und zu verhaften.

Der Maidan steht und gibt nicht auf! Wir sind alle hier, unsere Sache ist gerecht. ZUSAMMEN SIND WIR STARK!!!

Arsen Avakov ist ukrainischer Parlamentsabgeordneter in der Batkivschtschyna-Partei aus Charkiv.

Original: http://blogs.pravda.com.ua/authors/avakov/53039eda67648/

bereits

Filmvorführung zur Ausstellung Euromaidan – Occupied Spaces

Film screening and artist talk in OKK, Berlin, Prinzenallee 29,

Exhibition opening times: 31.1.- 20.2., Thurs.-Sun. 15 – 19 Uhr

On Saturday 15th February at 7p.m. in the OKK Gallery in Berlin, short films from Ukraine will be shown as part of the exhibition “Euromaidan – Occupied Spaces”.

Fragments of short films about the Euromaidan protests in Kiev curated by Ukrainian film-maker Dmitriy Tiazhlov will be shown for the first time in Berlin alongside films from the Babylon 13 initiative.

After the screening, a discussion with artist Yevgenia Belorusets will take place, focussing on media representations of this protest. It will also consider the many surprising and unpredictable developments and perceptions of this protest movement, which continues in Ukraine.

How can the experience of art, when it is incomplete and not self-sustaining, help us to understand current political and social reality? Are we able to perceive a thorough reality of a protest which is taking in a faraway country, when media representations of news are superficial? Is it possible for us to take a stance, and take responsibility for this reality, especially when we are not taking part in it ourselves?

About the exhibition: http://kritische-kunst.org/de/euromaidan-besetzte-raume

CONTACT:  OKK, Pablo Hermann, E-Mail: pablorion@yahoo.com, 017625857519

Yevgenia Belorusets, E-Mail: belorusezjen@gmail.com

Majdan! Ukraine, Europa.

Am 12. März 2014 erscheint in der edition.fotoTAPETA ein Sammelband mit Texten den Euromajdan, herausgegeben von Claudia Dathe und Andreas Rostek
Übersetzt durch translit e.V. u. a.

Die Ukraine ist das einzige Land Europas, in der die Annäherung an die EU mit Blut bezahlt wird, sagen Beobachter der Proteste auf dem Majdan in Kiew. Der Schriftsteller Juri Andruchowytsch meint lapidar: „Wenn wir uns für Europa einsetzen, geht es dabei auch um unsere Souveränität. Um die Menschenrechte und um die Freiheit. Das sind nicht nur schöne Worte, das ist die nackte Wahrheit…“  Sätze, wie wir sie von den Dissidenten in Warschau, in Budapest, in Prag kennen – Sätze aus den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Heute wird in der Ukraine ein Kampf ausgetragen zwischen der Gesellschaft und Machthabern, die das Land als ihren privaten Besitz betrachten – es geht gegen ein Regime, das Rechtsstaat und Institutionen allein für den eigenen Machterhalt instrumentalisiert, den Menschen ihre Würde nimmt und sich skrupellos bereichert.

Das ist ein Buch von Augenzeugen. Schriftstellerinnen, Dichter, Intellektuelle aus der Ukraine kommen zu Wort. Das  Buch betreibt Geschichtsschreibung des Augenblicks: persönliche Erlebnisse, die Lebensverhältnisse im Land, der Blick auf die Geschichte. Aber auch: Wie konnte die Gewalt eskalieren? Wie geht es weiter, wenn die Proteste vorüber sind?

Ein Land versucht sich zu befreien – für Europa ein historischer Moment. Es geht in diesem Buch immer auch um Europa: Wie verändert sich Europa mit und ohne die Ukraine? Was tut Russland? Dazu geben auch Autoren aus anderen europäischen Ländern Antworten. Mit Beiträgen u.a. von Juri Andruchowytsch, Elmar Brok, Laryssa Denysenko, Orlando Figes, Jörg Forbrig, Rebecca Harms, Jaroslav Hrytsak, Tamara Hundorowa, Halyna Kruk, Maxym Kidruk, Adam Michnik, Timothy Snyder, Martin Pollack, Taras Prochasko, Konrad Schuller, Natalka Sniadanko, Andrzej Stasiuk und Serhij Zhadan.

Der Band erscheint am 12. März in der edition.fototapeta und wird auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt.

ISBN 978-3-940524-28-7
Ca. 144 Seiten | Paperback | 22 x 13 cm

Offener Brief von Wolf Biermann

Der Liedermacher Wolf Biermann hat einen offenen Brief an Vitali Klitschko verfasst, in welchem er den Oppositionsführer seiner Unterstützung und Bewunderung Ausdruck verleiht. Den Brief haben unter anderem auch Marianne Birthler, Thomas Brussig, Daniel Cohn-Bendit, Ralf Fücks, Elfriede Jelinek und Olaf Kühl unterschrieben.

Den Brief finden Sie unter anderem auf der Website der FAZ.

Ostap Slyvynskyj: Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine

Folgenden Bericht des Dichters Ostap Slyvynskyj über die Menschenrechtsverletzungenin der Ukraine möchten wir Ihnen an dieser Stelle präsentieren.

26.01.2014

 

In der Ukraine kommt es, so müssen wir nach den Ereignissen der letzten Woche konstatieren, nicht nur systematisch zu Menschenrechtsverletzungen, u.a. gegen die Meinungsfreiheit, die Freiheit und Unantastbarkeit der Persönlichkeit oder das Recht auf Leben etwa, sondern auch zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie sie in den Römischen Verträgen festgehalten sind, besonders erschütternd sind die Verbrechen, die die Würde des Menschen verletzen, die Menschen in zynischer Weise erniedrigen und den humanistischen Grundwerte des Zusammenlebens jenseits von Zeit, Ort und politischem Kontext hohnsprechen. Derartige Vergehen sind nicht zu rechtfertigen. Es gibt keine Handlung, auf die solche Verbrechen eine angemessene Reaktion darstellen.

 

Zu nennen sind hier Folter, die Misshandlung von Gefangenen, die Verletzungen der Regeln und Gewohnheiten des Krieges. Das Kriegsvokabular ist hier durchaus angebracht, denn die Zusammenstöße von Spezialeinheiten des Innenministeriums und der organisierten Protestbewegung auf der Straße weisen, insbesondere im gegenwärtigen Rechtsvakuum, durchaus Züge kriegerischer Auseinandersetzungen auf.

 

Die unklare Rechtslage im derzeitigen Konflikt verführt die Seite, die sich für den rechtmäßigen Vertreter des Gesetzes hält, zur Verletzung elementarer ethischer Normen in den offenen Auseinandersetzungen, so etwa die Achtung vor einem Abgesandten oder die Unantastbarkeit der Ärzte. So wurde zum Beispiel vor meinen Augen ein Vertreter der Protestierenden, der mit einer weißen Fahne zu den bewaffneten Kräften ging, um eine Nachricht zu überbringen, ohne Vorankündigung verprügelt und verhaftet.

 

Angriffe auf Ärzte und Krankenschwestern, die die Protestierenden medizinisch versorgen, sind in den letzten Tagen zu einer traurigen Dauererscheinung auf dem Majdan geworden. Einen Höhepunkt erreichte die Aggression am 22. Januar, als die Sanitätsstelle durch Blendgranaten und Schlageinwirkung vollständig zerstört wurde. Viele Ärzte wurden verletzt, und was mit den Verletzten passiert ist, die zu der Zeit an der Sanistelle behandelt wurden, ist unklar. Die Ärzte, die den Protestierenden medizinische Hilfe leisten, werden in der ganzen Stadt, fernab der Zusammenstöße aufgespürt und verhaftet, genauer gesagt verschleppt, denn es gibt kein Gesetz, das ihre offizielle Festnahme rechtfertigen würde. So wurde zum Beispiel am 23. Januar die 22-jährige ehrenamtliche Arzthelferin Olexandra Chajlak von Kämpfern einer Berkut-Spezialeinheit auf dem Kiewer Bahnhof festgenommen und in den Wald verschleppt. Dort nahm man ihr alle Medikamente ab, einschließlich eines Asthma-Präparats, das für sie selbst lebensnotwendig ist.

 

Die Verschleppungen durch die Polizei, die mitunter von gedungenen Zivilisten vorgenommen werden, sind häufig begleitet von Misshandlungen und Folter, bisweilen kommt es auch zu öffentlichen Folterungen. In mindestens einem Fall endete die Verschleppung tödlich. Die tatsächliche Opferzahl liegt möglicherweise höher, denn etwa 10 Personen werden derzeit vermisst.

 

Am 21. Januar wurden die zwei verletzten Majdan-Aktivisten, Igor Luzenko und Jurij Werbyzkyj von „Unbekannten in Zivil“ aus dem Krankenhaus verschleppt. Luzenko, den Häschern entkommen, kommentiert: „Zu Anfang wurden wir gemeinsam verhört und misshandelt, dann wurden wir getrennt, in unterschiedliche Waldstücke gebracht und noch einmal malträtiert. Ich habe nur gehört, dass man Jurij stark unter Druck gesetzt hat … Das ging ungefähr 40 Minuten, vielleicht eine Stunde. Dann wurden wir wieder in den Bus gesetzt und mit Säcken über dem Kopf weggebracht.“ Am 22. Januar wurde die Leiche von Jurij Werbyzkyj mit Anzeichen schwerer Folterungen in der Nähe des Dorfes Hnidyn bei Kiew gefunden.

 

Am 22. Januar wurden in Kiew auf der Straße sechs Studenten der Kiewer Theaterhochschule von einer Berkut-Spezialeinheit festgenommen, die auf dem Rückweg vom Majdan waren. Später wurde – wie im oben beschriebenen Fall – eine Person freigelassen. Der 17-jährige Student Mychajlo Nyskohus wurde nach eigenen Angaben gefoltert und gequält: Er musste sich nackt ausziehen, die Nationalhymne singen und in der Polizeieinheit Spießruten laufen, man hat ihn geschlagen und am Hintern mit dem Messer verletzt.

 

Ein Mitglied des so genannten Automajdan, der Protestbewegung der Autofahrer, Olexandr Krawzow, wurde am 23. Januar von der Polizei festgenommen, er berichtet von Misshandlungen und Repressalien gegen die Opfer im eisigen Frost: „Wir wurden überfallen, die Autos wurden demoliert, wir wurden in den Marien-Park gebracht … Dort mussten wir uns nackt ausziehen und anderthalb Stunden auf Knien im Schnee ausharren … wir waren ungefähr 17 Personen.“

 

Besonders herabwürdigend wirken die öffentlichen Folterungen, denen der Majdan- Aktivist Mychajlo Hawryljuk ausgesetzt war, den die Polizei am 23. Januar festgenommen hatte. Mehrere Dutzend Polizisten beteiligten sich an den Misshandlungen, sie zeichneten alles auf Video auf, was im Folgenden zu einem Aufschrei in den Medien führte. „Ich lag am Boden und wurde misshandelt“, erzählt Machajlo Hawryljuk. „Alles, was Beine hatte, kam angelaufen und machte mit, sie sprangen mir auf den Kopf und machten Fotos. Als sie mich ausgezogen hatten, spielten sie mit meinem Kopf Fußball. Sie spielten die Helden und machten gegenseitig Fotos, setzten mir den Fuß auf den Kopf, als ich am Boden lag.“

 

Der Einsatz unerlaubter Mittel gegen die Demonstranten von Seiten der Polizei ist nicht nur eine Verletzung der Dienstvorschriften, sondern auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nachweislich haben die Polizeikräfte Messingkugeln mit einem Durchmesser von 18,5 mm gegen die Demonstranten abgefeuert. Diese sind eigentlich zur Beseitigung mechanischer Hindernisse oder zum Anhalten von Verkehrsmitteln bestimmt, zum Öffnen von Türen zum Beispiel. Das zeigt, dass die Polizeikräfte sich keine Gedanken über die Demonstranten und ihren Widerstand machen: für sie sind die Protestierenden Objekte, die es zu entfernen oder zu vernichten gilt, es fehlt hier an dem Mindestmaß an Ethik. Eine der erwähnten Messingkugeln hat am 22. Januar Mychajlo Schiznewskij aus Belarus getötet, die Kugel durchschlug ihm das Herz. Außerdem wurde beobachtet, wie die Polizeikräfte der Sonderkommandos Blendgranaten mit Steinsplittern umwickeln, wodurch die Geschosse zu kleinen Splitterbomben werden und mechanische Verletzungen herbeiführen. Unmenschlich und unvereinbar mit den Menschenrechten ist ebenso die Erlaubnis des Ministerrates, bei Minustemperaturen Wasserwerfer einzusetzen, was schwere Erfrierungen und den Tod durch Unterkühlung nach sich ziehen kann.

 

Die Verletzungen, die viele Demonstranten erlitten haben, deuten auf gezielte Kopf- (insbesondere Augen) und Achselschüsse durch die Polizei. Viele Verletzungen wurden den Demonstranten von Scharfschützen zugefügt. Es ist bezeichnend, dass unter den Journalisten und Medienvertretern die Opferzahl besonders hoch ist. Die gezielte Gewalt gegen Journalisten ist eine Besonderheit der Auseinandersetzungen in der Ukraine. Die panische Angst der ukrainischen Machthaber vor der Öffentlichkeit lässt sie auf Journalisten schießen, und so ist die Aufschrift „Presse“ am Jackett oder auf dem Helm (genauso wie Rotes Kreuz) kein Schutz, sondern eine zusätzliche Gefahrenquelle. Allein zwischen dem 19. und 23. Januar sind nach vorsichtigen Schätzungen 40 bis 50 Journalisten verletzt worden. Zu den am schwersten Verwundeten gehören Stanislaw Grigorjew, Kameramann des russischen Fernsehsenders REN-TV, er wurde von einer Blendgranate getroffen, Wlad Bowtruk vom ukrainischen Fernsehsender Hromadske.tv, ihn trafen Gummikugeln am Bein und am Rumpf, und Wolodymyr Zintschenko vom ukrainischen Fernsehsender ICTV, ihn verletzte eine Gummikugel am Auge.

 

Zusammenfassend lässt sich folgendes sagen: Egal, wie die Auseinandersetzungen in der Ukraine enden, egal, welche politische Realität auf das Land zukommt, die Schuldigen für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen bestraft werden. Das ist die Pflicht und Verantwortung von uns Ukrainern und der gesamten Weltgemeinschaft.

Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe

 

 

Die Ukrainische Revolution im Stellungskrieg

Der Autor Serhij Zhadan hat unter dem Titel „Die ukrainische Revolution im Stellungskrieg“ einen Text verfasst, in dem er über die Konfrontation der proeuropäischen und Pro-Janukowytsch-Kräfte im Vorfeld der Eskalation der Gewalt am 19. Januar in Charkiw berichtet.

Den Artikel finden Sie unter diesem Link auf unserer Seite.