Ausstellung: Euromaidan. Besetzte Räume.

Kiew: im Epizentrum der Massenproteste

Fotoausstellung von Yevgenia Belorusets. Im Projektraum OKK in Berlin 13359, Prinzenallee 29, Eröffnung: 31. Januar, 19 Uhr. Geöffnet: 31.1.-15.2., Do.-So. 15 – 19 Uhr

Schon seit einigen Tagen ist es aus mit dem friedlichen Protest in Kiew. Meine Fotografien sprechen davon, was auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist: eine besondere Protestkultur, die es so nur in der Ukraine gegeben hat und die in manchem an ein Volksfest erinnerte. Und die in mancher Hinsicht verwiesen hat auf die eingeführten Spektakel vergangener Jahrhunderte: Verfolgung und öffentliche Bestrafung von „Verrätern“, das Florieren von Ritual und mythologischem Denken.

Die während der gesamten Protestzeit immer wieder geführten Diskussionen zwischen Vertretern unterschiedlicher Ansichten über die Zukunft gehen nun im schwarzen Rauch der brennenden Decken unter. Die Meinungsverschiedenheiten verschwinden mit den vernichteten Leben. Wenn ich mir diese Fotos anschaue, steht mir immer vor Augen: fünf Tote, unzählige Verletzte.

In der Kiewer Innenstadt geht der gewaltsame Widerstand weiter. Auf dem Euromajdan verschwinden Menschen, Unbekannte in Zivil nehmen sie mit, dann erfahren wir aus den Nachrichten, dass sie geschlagen und gefoltert wurden. Über dem Kiewer Protest schwebt nicht mehr die schemenhafte Europa-Idee, sondern der Hass auf die Macht, die Forderung nach Veränderungen und die direkte Bedrohung für Leib und Leben.

In vielen Medien wird derzeit über die Angriffe von Seiten der Protestierenden geschrieben. Aber die autoritäre Gewalt von Seiten des Staates ist und bleibt in ganz anderen Ausmaßen grausam, brutal und sinnlos. Es ist die Gewalt eines zerfallenden Systems, das allein die Existenz eigenständiger politischer Formen von anderem Denken ablehnt. Diese Gewalt ist ansteckend, sie will unsere Immunität, unsere Widerstandsfähigkeit, unseren Glauben daran zerstören.

Nach langem Zögern habe ich mich entschlossen, meine Ausstellung zum friedlichen Protest in Kiew dennoch zu zeigen und nicht aufzuschieben. Die Fotografien, die in dem geschützten Raum der Berliner Galerie zu sehen sind, zeigen friedliche Demonstranten. Wir sehen sie in Momenten des Durchatmens, in Erwartung. Ihr eiserner Wille, sich der ukrainischen politischen Realität nicht zu unterwerfen, ihr Misstrauen gegenüber der großen Politik machen Eindruck.

Sie haben etwas gewagt, sie haben verschiedene, mitunter auch nationalistische Losungen verbreitet und hatten damit oft etwas ganz Anderes im Sinn, das sich nicht in das nationalistische Dogma einschreibt. Genau dieser Ungehorsam, und sei er auch noch so unterschwellig, macht mir Hoffnung.

Aber jetzt, wo das Leben von vielen Menschen in Gefahr ist, fällt es schwer, die Ergebnisse des Protestes in den Blick zu nehmen, ebenso die Hoffnungen, jetzt müssen wir uns dem zuwenden, was auf unseren Straßen und Plätzen passiert.

KONTAKT: OKK, Pablo Hermann, E-Mail: pablorion@yahoo.com, 017625857519
Yevgenia Belorusets, E-Mail: belorusezjen@gmail.com

Die Ausstellung wird unterstützt von translit e.V.

HINTERGRUND

Der Platz der Unabhängigkeit (Maidan Nezalejnosti) ist einer der zentralen Plätze in der rund drei Millionen Einwohner-Stadt Kiew. Seit dem 21. November 2013 versammelt sich bis zum heutigen Tag die größte Protestbewegung der Ukraine seit der Orangenen Revolution. Diese Bewegung gab sich den Namen „Euromaidan“. Eine eigenständige politische Positionierung des Maidans formiert sich erst mit der Zeit. Währenddessen fungiert er als Bühne für verschiedene, mitunter zutiefst widersprüchliche Standpunkte.
Die Ausstellung Euromaidan. Besetzte Räume. würdigt den Alltag der Protestierenden: in den besetzten Regierungsgebäuden, im Kiewer Rathaus, im Haus der Gewerkschaften und im Oktoberpalast.
Yevgenia Belorusets ist Künstlerin, soziale Aktivistin und Autorin aus der Ukraine. Sie lebt in Kiew und Berlin (www.belorusets.com).

Der Projektraum OKK (Organ kritischer Kunst www.kritische-kunst.org) ist eine Plattform für kulturellen Aktivismus und kritische Kunst in Berlin.

Flyer zur Ausstellung